Wieso haben Sie sich für den Lehrerberuf entschieden?
Das hat etwas mit meiner Biographie zu tun. Ich bin erst mit 9 Jahren nach Deutschland gekommen und hatte natürlich nach so einer kurzen Zeit in Deutschland keine gymnasiale Empfehlung, die man zu der Zeit noch brauchte. Aber ich hatte eine ganz einfühlsame und engagierte Grundschullehrerin, die mich sehr gefördert hat, immer für mich da war und die das Potential erkannt hat, das in mir steckt. Sie hat mir dann trotz fehlender Leistungsnoten eine gymnasiale Empfehlung ausgesprochen. Das hat mir damals viele Wege geebnet und mich rückblickend so beeindruckt, dass ich bereits schon während der eigenen Schulzeit den Wunsch hatte, Grundschullehrerin zu werden, was ich – Gott sei Dank – dann doch nicht geworden bin.
Was mögen Sie am Lehrerberuf?
Als erstes die Arbeit mit den Kindern, Jugendlichen und fast Erwachsenen. Das ist das Gute am Gymnasiallehramt, dass man wirklich alle Stufen unterrichtet. Ich liebe den Input durch Jugendliche, die Zusammenarbeit und die Anregung, die sie einem mit auf den Weg geben. Jeden Tag ist ‚was Neues los.
Was sind die Schattenseiten des Berufs?
Viele verschiedene Aufgaben und Anforderungen. Aufgaben, die man ungern macht, ist definitiv die Bürokratie. Dass man bei großen Lerngruppen den Kindern und Jugendlichen nicht gerecht werden kann. Dass viel zu viel, teilweise unsinnige, Leistung gemessen wird, die ich persönlich immer mehr hinterfrage, d. h. inwiefern ist unsere aktuelle Leistungsmessung überhaupt aktuell? Müssten wir nicht, wenn wir in Wirtschaft und Gesellschaft schauen, andere Leistungsformen haben, die wir erproben? Viel mehr Orientierung an Projekten usw. Eine Herausforderung ist auch die Digitalisierung, denn es braucht sehr viel Zeit, um sich damit auseinanderzusetzen. Digitalisierung bedeutet auch nicht, dass man ein iPad als Heft benutzt, sondern dass man digitale Tools für ein nachhaltiges, singstiftendes Lernen nutzt, was momentan nicht umsetzbar ist. Meiner Einschätzung nach sind die allgemeinen Anforderungen an Lehrer:innen unglaublich gestiegen und das von vielen unterschiedlichen Seiten: Viel zu viele zu unterrichtende Stunden, viel zu viele Aufgaben, viel zu wenig Konzentration auf das Wesentliche, die Schüler:innen und ihre Lernerfolge, auf unser täglich Brot quasi.
Was muss sich ändern, damit es der absolute Traumberuf ist?
Die Lehrpläne müssen sich ändern, die Schulordnung muss sich ändern. Wir müssen Stundentafeln und Unterrichtsstoff abspecken und wieder Freiräume schaffen, z.B. für Projektarbeiten. Wir müssten wieder auf andere Unterrichtsformen als auf den Frontalunterricht zurückgreifen. Das geht aber nur mit einer Änderung des Schulgesetztes, der Lehrpläne, der Umgestaltung des Fächerkonzepts und der Stundentafel. Jedes Fach denkt ja, dass es das Beste ist, das denke ich von meinen Fächern natürlich auch, aber die Frage ob das wirklich so ist, ist wirklich dahingestellt. Man müsste viel mehr Geld in Lehrerstellen investieren, die Klassen verkleinern, man müsste den Lehrerberuf wieder attraktiver machen, um eben diese Veränderungen herbeiführen zu können.
Wie sieht der perfekte Schultag aus und was muss sich (strukturell) ändern, damit er es wird?
Man müsste auf jeden Fall später mit dem Unterricht beginnen. England macht es vor, aber ich stelle mir den perfekten Schulalltag so vor, dass wir Montag morgens um 8:15 Uhr mit einer Klassenleiterstunde beginnen. Dann kann man schon mal ganz viel Organisatorisches besprechen oder einfach mal mit der eigenen Klasse ins Quatschen kommen. Dafür könnte man eine viertel Stunde einräumen und um 8:30 Uhr könnte dann der Unterricht losgehen. Ich stellen mir auch vor, dass es vielleicht andere Stundenkonzepte gibt, also die Frage ist, ob 45 Minuten Stunden wirklich sinnvoll sind, oder ob man das auf 60-67 Minuten-Stunden ausweitet. Da gibt es ja auch längst erprobte Konzepte für. Das würde dann ja auch bedeuten, dass Schüler:innen und Lehrer:innen weniger Fächer an einem Tag hätten und man auch mehr Zeit für Erarbeitungsphasen hat. Also ich glaube es geht im Wesentlichen darum, dass man später anfängt und vielleicht einfach dieses Stundenschema überdenkt.
In welchen Momenten lieben Sie ihren Beruf?
Wenn ich mich mit Schüler:innen unterhalte, mit ihnen lachen kann, aber auch Lernerfolge feststellen kann und ich auch sehe, dass sie sich persönlich entwickelt haben oder auch leistungstechnisch natürlich. Ich finde es wirklich cool, wenn man merkt, dass die Schüler:innen Spaß an der Stunde hatten und die Zeit nicht abgesessen wurde, sondern schnell vergangen ist.
Was wünschen Sie sich von Schüler:innen?
Ich wünsche mir mehr gegenseitigen Respekt und Achtung, auch vor jedem Einzelnen, dass man einfach mal akzeptiert, dass wir 25-30 Individuen in einer Klasse sind. Dass jeder anders ist und auch alle Lehrer:innen anders sind und nicht jeder perfekten Unterricht machen kann sowie Schüler:innen auch nicht jeden Tag gleich performen. Aber auch, dass die Schüler:innen einander mit mehr Respekt begegnen und mit mehr Achtung und nicht mehr aufeinander rumhacken, weil jeder unterschiedlich ist. Also das man viel mehr Toleranz schafft und viel mehr auf die Bedürfnisse der anderen achtet. Das bedeutet auch respektvoller Umgang und keinen Quatsch machen.
Was wünschen Sie sich von Kolleg:innen?
Auch hier wünsche ich mir mehr Ruhe von einander und miteinander, mehr Bereitschaft zum Fortschritt und zu Veränderung.
Was wünschen Sie sich von Frau Duelli-Meßmer? (diese Frage durfte auch allgemein beantwortet werden)
Die Punkte, die ich an eine gute Schule stellen würde, auch diese Umstrukturierung des Unterrichts. Das würde ich mir wünschen, dass diese Konzepte angegangen werden, also Stundentafeln, Unterrichtsbeginn usw. Das ist glaub ich nicht von Frau Duelli-Meßmer abgängig, aber eben von höheren Instanzen, die wir nicht immer beeinflussen können.
Was motiviert Sie, zusätzlich noch AGs zu leiten?
Weil das die einzige Möglichkeit ist, mit Schüler:innen in Kontakt zu kommen. 45 Minuten sind dafür im Schulalltag einfach viel zu wenig. Außerdem braucht man auch diese schönen Momente, in denen man sich mit etwas anderem beschäftigt als mit Lehrplänen und Klausurvorbereitungen.
Wie klappt es, Schulisches und Privates zu trennen?
Schlecht. Ja, mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Das Problem ist, dass man in jedem anderen Beruf nach Hause geht, die Tür zu machen kann und dann ist Feierabend. Das hat man eben nicht und ich sehe es auch als sehr großes Problem, dass die allgemeine Verfügbarkeit so stark ist. Dass Lehrer:innen Schüler:innen und anders rum immer am Wochenende, immer in den Ferien, nach Feierabend schreiben können. Hier hat die Digitalisierung einfach einen starken Haken und man versucht dem entgegenzukommen, aber das funktioniert nicht. Aber man braucht die Privatsphäre, man kann nicht 24/7 von Schule abhängig sein. Das ist auf allen Ebenen ungesund.
Wird man besser darin, Symphatien nicht in die Bewertung mit einfließen zu lassen?
Ja, ich glaube schon, dass man das bei der Leistungsbewertung konkret trennen kann. Der Vergleich hinkt zwar, aber ihr gebt euch ja bei den Klassenarbeiten große Mühe, obwohl ihr wisst, dass euch das Fach nicht liegt. Ihr wollt ja trotzdem das Beste zeigen und ich glaube, dass das bei Bewertungen genau das gleiche ist, zumindest sollte es das sein. Ich kann für mich sprechen, dass es so ist, dass man schon objektiv an Klassenarbeiten heran gehen kann und sich dann aber auch natürlich in bestimmten Momenten bewusst sein muss, woran es hinkt. Aber dabei helfen einem als Lehrkraft ja transparente Bewertungskriterien, transparente Erwartungshorizonte. Da hilft auch die Vorbereitung im Vorfeld, also was hab ich als Lehrerin geleistet, was muss der Schüler/die Schülerin können. Wenn man das transparent offen legt, kann man bei der Bewertung garnicht subjektiv sein, wenn man weißt, ob die Kriterien erfüllt sind oder nicht.
Gibt es noch etwas, was Sie zu dem Thema loswerden möchten?
Ja. Ich stelle mir häufig die Frage, ob ich es nochmal machen würde und ich glaube nicht. Also ich liebe meinen Job und ich genieße wirklich die Arbeit als Lehrerin und ich glaube, ich bin dafür auch gut gemacht, aber ich würde es nicht nochmal machen. Dafür sind die die Anforderungen, die Herausforderungen und die fehlende Wertschätzung von Seiten des Landes und der Gesellschaft zu hoch. Für das, was man rausbekommt, ist der Arbeitseinsatz zu hoch – leider. Aber für die Schüler:innen würde ich es sofort wieder machen. Ich glaube, es müssen Rahmenbedingungen für Lehrer:innen geschaffen werden, dass bestimmte Kombinationen nicht mehr so überfordernd sind und das sehe ich halt nicht. In manchen Bundesländern ist es zum Beispiel so, dass, wenn du ein Hauptfach unterrichtest und dann noch in der Oberstufe, du weniger Stunden unterrichten musst. Das wäre ja schon eine Entlastung, weniger Stunden zu unterrichten, dann hat man wieder mehr Zeit für die Vorbereitung, mehr Zeit für die Korrekturen, für die Schüler:innen usw. Es wäre auch mit Sicherheit eine Entlastung, wenn wir nur noch halbe Klassen hätten, wenn ich nur 14 Korrekturen statt 25-30 machen müsste. Für euch ist es auch eine Entlastung, weil ihr ganz anders lernt. Das merkt man ja, wenn die Hälfte der Klasse nicht da ist, was da für eine Atmosphäre ist und dann fängt man auch weniger an, aufeinander rumzuhacken. Es ist eigentlich alles von der Landesregierung und von dem Druck der Gesellschaft abhängig. Solange sich da nichts tut, sehe ich schwarz für diesen Beruf. Und dann als Off-Topic: Dann gibt es verständlicherweise Lehrer:innen, die sich zurückziehen, weil sie 20 Jahre gepowert haben und einfach irgendwann ausgebrannt sind und das nicht mehr leisten können. Das müssen wir irgendwie verhindern. Und wie sinnvoll ist es, in jedem Fach eine Klassenarbeit zu schreiben. Erreichen wir damit irgendetwas? Fraglich.
Was würden Sie stattdessen machen?
Ich überlege die ganze Zeit, ob ich aussteigen soll. Der Gedanke schwebt seit 2 Jahren in meinem Kopf. Ich glaube ich würde vielleicht eher in Richtung Inneneinrichtung, Architektur, vielleicht Mikrobiologie oder medizinische Biologie gehen, das finde ich auch spannend. Aber das sind so 1000 Ideen, nichts Konkretes und bisher nur ein gedanklicher Ausweg. Allerdings ist es schon eine Krux, weil man ja schon den richtigen und vor allem sinnstiftenden Beruf für sich gefunden hat, das ist eine Seltenheit. Ich glaube, dass es viele aus der Wirtschaft oder aus einem Büroalltag gibt, die mit ihren Jobs wirklich unzufrieden sind, weil sie den Sinn im Beruf nicht finden. Den hab ich jeden Tag, den sehe ich jeden Tag, aber die Belastung von außen ist einfach zu hoch und die ständige Verfügbarkeit genau so. Wenn man jetzt einmal in die Woche schaut, habe ich locker 50- 60 Stunden gearbeitet, doch dass sieht bis auf meinen Mann natürlich niemand.